Sebastian verschönert Nordhessen

Seit vier Generationen führt die Familie von Sebastian Mette ein Zimmerergeschäft in Balhorn. Etliche Fachwerkhäuser in der Region zeugen bis heute von ihrer Arbeit.

Statt Holz faszinierten ihn Motoren und Brennstoffzellen

Als junger Mann hätte sich Sebastian Mette schwer vorstellen können, in die Fußstapfen der Eltern und Großeltern zu treten: „Nach dem Abi hatte ich sehr wenig Interesse am Dorfleben und dem Betrieb. Deshalb bin ich nach Mannheim gezogen um als dualer Student bei Mercedes Maschinenbau zu studieren.“

Statt Sägespänen und Holz faszinieren den jungen Mann Motoren und Brennstoffzellen. „Ich war froh, dass mein ältester Bruder den Betrieb übernehmen wollte. So konnte ich meinen Weg in der Automobilbranche ausprobieren.“

Nach dem Studium landet Sebastian Mette in der Forschungsabteilung von Mercedes-Benz in Stuttgart: „Das hatte ich mir in den Kopf gesetzt und es auch geschafft.“ Doch der Traumjob muss den Realitätscheck überstehen: „Ich habe schnell gemerkt, die Arbeit im Konzern ist nicht mein Ding. Im Gegenteil sie frustriert mich. Als junger Mann hat mich der Umgang mit den Ressourcen abgeschreckt. Ich hatte das Gefühl, die schmeißen planlos mit Milliarden um sich.“

Vom Automobilkonzern in die Gastronomie

Sebastian Mette spürt, dass diese Welt nicht mit seinen Erfahrungen aus einem kleinen Familienbetrieb kompatibel ist. „Mir wurde klar: Das ist nicht mein Weg. Deshalb habe ich den Mercedes-Konzern mit 26 Jahren bereits wieder verlassen.“

Auf der Suche nach einer sinnstiftenden Arbeit landet er in der Nähe von Lörrach. „Dort hat sich eine neue evangelische Gemeinde auf einem Bauernhof gegründet. Das Projekt hat mich begeistert.“

In der Pionierphase ist Sebastian Teil des Planungsteams und erlebt, wie auf der grünen Wiese ein großes Zentrum mit Restaurant entsteht. „Ich habe übergangsweise dort gearbeitet und erlebt, wie das große Restaurant eröffnet wurde. Leider hat der erste Geschäftsführer den Laden innerhalb von zwei Monaten fast an die Wand gefahren. Aber ich habe von Anfang an das Potenzial dort gesehen und hatte Feuer gefangen.“

Alle Fotos: Mette Holzbau

Leben an der deutsch-schweizer Grenze

Sebastian wird zum Geschäftsführer und baut mit einem jungen Team ein großes öffentliches Restaurant auf. „Der Job hat mich voll gefordert. Mit Aushilfen hatten wir 50 Mitarbeiter. Ich erinnere mich noch an das Public Viewing mit 5.000 Fans. Wir waren sehr schnell die In-Location zwischen Freiburg und Basel.“

Neun Jahre lebt und arbeitet Sebastian Mette an der deutsch-schweizer Grenze. Im Restaurant lernt er seine Frau Lisa kennen. Zunächst als Gast, aber Sebastian kann sie schnell überzeugen auch als Aushilfe ins Team zu kommen. So lernen die beiden sich kennen und drei Jahre später heiraten sie. „Mit der Geburt unseres ersten Sohnes kam ich ins Nachdenken. Wir haben uns überlegt, wo soll der Junge aufwachsen? Ein Haus mit Garten für eine hoffentlich große Familie ist an der Schweizer Grenze quasi unbezahlbar.“

In dieser Lebensphase entdeckt Sebastian eine neue Liebe zur Heimat Nordhessen. „Mein ältester Bruder erklärte endgültig, dass er die Firma nicht unternehmen will. Daraufhin hat mein Vater die Frage gestellt: Entweder einer der anderen übernimmt oder die Firma wird verkauft!“

Neustart in der Zimmerei

2016 entscheiden sich Sebastian und Lisa mit der kleinen Familie zurück nach Balhorn zu ziehen. „Ein Maschinenbauingenieur, der neun Jahre große Restaurant-Events gemacht hat, startet neu in der Zimmerei.“

Sebastian blickt hinaus auf die Werkhalle. Ein Lieferant lädt große Balken ab. „Zugegeben, der Anfang war schwierig. Ich musste fachlich wieder bei null anfangen. Besonders schwer gefallen ist mir mit Mitte 30, dass ich mich sofort um fachliche Fragen kümmern musste, ohne fundierte Erfahrung zu haben. Doch mein Vater und auch die Mitarbeiter haben mich voll unterstützt!“

Der Juniorchef mit wenig Fachwissen erlebt eine sehr intensive Einarbeitungszeit. „Die Mitarbeiter waren klasse. Sie wussten: Wenn ich es mache, besteht der Betrieb weiter. Dabei habe ich meine Freude am Holzbau entdeckt, deshalb ist es mir sehr leicht gefallen.“

Drei weitere Kinder erblicken in Nordhessen das Licht der Welt und füllen Elternhaus und Anwesen mit Leben. Lisa findet gute Freundinnen und bringt Leben und frischen Wind ins Dorf.

Die Spezialität sind komplexe Umbauten

Ich will wissen, wie sich die Zimmerei von den Handwerkskollegen unterscheidet? „Unsere Spezialität sind komplexe Umbauten, wo man sehr viel planen und koordinieren muss. Wir haben Gott sei Dank Mitarbeiter, die über den Tellerrand hinaus schauen. Sie haben große Erfahrung und denken mit: Für mich, für die folgenden Handwerker und vor allem für unsere Kunden.“

Heute arbeiten drei Zimmermeister, vier Gesellen und zwei Auszubildene im Unternehmen. Hinzu kommen noch Aushilfen. „Wir haben außerdem eine Architektin angestellt. Sie macht die Entwürfe und Bauanträge, die wir gut umsetzen können.

Mittlerweile hat ein junger Zimmermeister auch die Dachdecker-Qualifikation, das hilft bei der schnellen Ausführung. „Wir können sehr viel aus einer Hand anbieten und halten alle Fäden zusammen. Während der Neubau in einer starken Krise ist, haben wir mit dem Umbau im Bestand sehr gut zu tun.“

Energetische Sanierungen

Sebastian Mette macht mit seinem Team sehr viel Fachwerksanierung: „Ich begrenze es bewusst auf ca. 25 Prozent, weil diese Arbeiten für die Mitarbeiter sehr strapazierend sind.“ Ein weiterer Schwerpunkt ist der Umbau von bestehenden Gebäuden: „Wir können gut ein Fertighaus aus den 70er Jahren um ein Geschoß aufstocken oder die energetische Sanierung der Gebäudehülle und des Daches leisten.“

Er berichtet von einer Kapelle in Riede, die innerhalb von einer Woche mit einem neuen Dach saniert wurde: „Wir haben erfreulicherweise eine sehr hohe Nachfrage und können uns meistens aussuchen, welche Projekte wir annehmen.“

Ein besonderes Highlight war das Strohballenhaus: Ein Fachwerkneubau, dessen Flächen mit Stroh gedämmt wurden. „Das war eine sehr schöne Aufgabe und eine gute Erfahrung, auch wenn das Verfahren sehr arbeitsintensiv ist. Aber auch sonst ist unsere Bauweise nachhaltig. Wir arbeiten grundsätzlich mit sehr guten ökologischen Materialien.“

Sebastian schenkt sich ein Glas Leitungswasser ein: „Ich bewundere junge Familien, die ein altes Haus kaufen. Gerne helfe ich ihnen dabei, kostenbewußt durch die Umbauprozesse zu kommen. Vor allem dann, wenn am Ende alle glücklich sind.“ Er hält einen Moment inne und ergänzt: „Gutes Handwerk abzuliefern ist für uns selbstverständlich. Doch die Komplexität eines Umbaus zu bewältigen – das ist der Challenge.“

Als Opa nächtelang das Fachwerk zeichnete

Stolz berichtet der Juniorchef von seinem Opa, der in den Nachkriegsjahren die Firma aufgebaut hat: „Wir haben sein ganzes Zeichnungsarchiv – ich kann die Originale noch präsentieren, wenn Kunden danach fragen. Ich habe einen großen Respekt vor der Leistung der früheren Generationen: Mein Opa hat halbe Nächte lang an den Zeichnungen gearbeitet.“

Zum Schluss unseres Gespräches frage ich Sebastian Mette, was er als Rückkehrer in der alten Heimat schätzt. „Es sind die gewachsenen Verbindungen und Geschäftsbeziehungen zu Kunden und Lieferanten. Hier in Nordhessen kann man große Geschäfte noch mit Handschlag abschließen. Und ich bin glücklich, dass die Mitarbeiter mit großer Treue dabei sind. Ein Zimmermeister sogar seit 46 Jahren.“

Beim Verabschieden erzählt er mir von der gesunden sozialen Struktur auf den Dörfern: „Das macht vieles beim Arbeiten einfacher. Ich will mit meinem Team Nordhessen schöner machen – das ist meine Vision. Das ist im Alltag mitunter eine große Herausforderung, aber mein Ziel in der täglichen Arbeit.“

Text: Rainer Wälde

Weitere Informationen
www.mette-holzbau.de