Paul Sinizin kennt das „Leben im Kühlschrank“. Seine Kindheit verbrachte er bei minus 30 Grad in Sibirien. Heute managet er die Kassel Huskies.

Winter in Nordhessen gleichen einer Tropfsteinhöhle
Eishockey steckt Paul Sinizin im Blut. 1980 wurde er in Omsk geboren. „Ich liebe die trockene Kälte von Sibirien. Bei tiefen Minusgraden fuhr ich morgens auf Skiern zur Schule.“
Stolz erzählt er, wie er bereits als 5jähriger regelmäßig zum Eishockey-Training ging. „Wir hatten ab Oktober Winter mit Stürmen bis Ende Februar. Der Schnee war so hoch, dass wir aus dem Dachfenster in den Neuschnee springen konnten. Mein Opa musste manchmal aus dem Küchenfenster hinaussteigen, um unsere Haustür frei zu schippen.“
Er blinzelte durch das Bürofenster in die April-Sonne: „Das war eine große Umstellung, als meine Eltern mit mir als 12jährigen Teenager nach Nordhessen umsiedelten. Im Vergleich Sibirien ist der feuchte Winter in Nordhessen eher wie eine Tropfsteinhöhle.“
Die Eissporthalle war der Grund für Nordhessen
Paul Sinizin ist sich bewusst, dass er nicht zufällig in der Nordhessen gelandet ist: „Bei der Auswanderung aus Russland war klar, dass unsere Familie nach Kassel wollte. Dort gab es eine Eissporthalle – das war für meinen Papa der entscheidende Grund.“
Der heute 45jährige erzählt, wie überrascht er als Teenager war, dass in Kassel nur zwei Mal pro Woche die Eishockey-Mannschaft trainierte. „Ich habe den Sport immer sehr ernst genommen. In Sibirien haben wir täglich bis zu drei Mal trainiert.
In Kassel durchläuft Paul Sinizin die Jugendmannschaften, dann spielt er in der Hessenauswahl. Er hält einen kurzen Moment inne und krempelt die Arme seines Kapuzenpullis nach oben: „Mit 19 Jahren habe ich erkannt, es reicht nicht für den ganz großen Traum. Damit war mein Feuer für 1. Liga erst mal erloschen.“

Bewege deinen Arsch nach Kassel
Paul zieht die Schlittschuhe über 12 Jahre nicht mehr an. Bis ihn ein alter Wegbegleiter aus Paderborn bedrängt, in der 5. Liga einzuspringen: „Du musst mal aushelfen, hat er gesagt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich 10 Kilo zu viel auf den Rippen. Doch ich habe immer noch geglaubt, dass ich so schnell bin wie früher.“
Er steht auf, um sich eine kühle Cola zu holen. Am Kühlschrank stehend erzählt er von einem Anruf seines alter Jugendtrainers Milan Mokros: „Was machst du in Paderborn? Bewege deinen Arsch nach Kassel!“
Paul nimmt einen kräftigen Schluck aus der Flasche: „Nach seinem Anruf habe ich noch zehn Jahre in der 2. Mannschaft der Huskies gespielt und dabei einige Kreuzbänder verloren. Doch mein Glück: Als Kapitän konnte ich die Mannschaft zum Hessenmeister führen.“
Schwer versicherbare Risiken
Mit 42 Jahren entscheidet er sich aufzuhören: „Mir wurde klar: Jetzt reicht es, sechs Stunden nach Bitburg zu fahren, um dann um 19 Uhr zu spielen.“ Sein Glück: Parallel zu seiner Leidenschaft für Eishockey konnte er sich ein neues Standbein aufbauen.
„Zuerst habe ich Gastro ausprobiert. Zugegeben, ich wusste erst Mal nicht, was ich sonst machen sollte.“ Dann startet er Mitte 20 als Versicherungsmakler. „2007 habe ich mich komplett selbständig gemacht und mein Nischenthemen gefunden: Schwer versicherbare Risiken.“
Ich schaue ihn überrascht an. „Ich habe eine Nischen-Agentur aufgebaut mit 15 Mitarbeitern und für spezielle Risiken jeweils eine passende Versicherung gesucht.“ In dieser Phase arbeitet er prallel als Referent für die IHK und Steuerberaterverbände.
Sein Glück: Fahrrad-Leasing
Gemeinsam mit Bastian Krause entwickelt Paul eine pfiffige Geschäftsidee: Sie bieten Unternehmen an, für ihre Mitarbeiter Dienstfahrräder zu leasen. „Ich muss zugeben. Am Anfang fand ich diese Idee wirklich albern, ein Fahrrad zu leasen. Doch nachdem mich Bastian so lange bequatscht hatte, bin ich eingestiegen. Wir haben dann einen eigenen Versicherungsschutz entwickelt.
Das Modell ist ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten, wie Paul erklärt: „Der Arbeitgeber spart Geld, der Mitarbeiter hat kein Risiko und der Fahrradhändler kann ein tolles Rad verkaufen.“
Bikeleasing heißt ihre Firma, die sich schnell zu einem Erfolgsturbo entwickelt. 2021 verkaufte sie 60 Prozent ihrer Anteile an ein Private Equity-Unternehmen aus Frankfurt. Bis heute sind die beiden Geschäftsführer und halten 40 Prozent der Anteile. „Heute sind wir Marktführer in Österreich. Mit 70.000 Unternehmen sind wir in Deutschland auf Platz 2 und beschäftigen mittlerweile 500 Mitarbeiter.“
Paul ist mit seinem Geschäftspartner bereits in einem zweiten Unternehmen aktiv: Probonio heißt das Portal. „Das ist eine moderne Form der Entlohnung für Mitarbeiter. Der Arbeitgeber kann Sachgutscheine verteilen. Nach unserer Erfahrung wirkt das besser als eine Gehaltserhöhung.“

So ein Projekt ist keine Liebelei
Paul Sinizin blickt in die Nordhessen Arena. Seit drei Jahren ist er als Nachfolger von Joe Gibb der neue Inhaber der Eissporthalle und der Kassel Huskies. „Wir mussten 20 Millionen für die Sanierung der Halle ausgeben. Außerdem haben wir alle Prozesse digitalisiert und mittlerweile 30 Mitarbeiter, die hier arbeiten.“
Er zeigt auf die großen Poster an der Wand. Neben den Spielen der Huskies finden auch regelmäßig Konzerte und Firmen-Events statt: „Die Halle wird multifunktional genutzt. Durch den Umbau haben wir jetzt mehr Sitzplätze. So ein Projekt ist keine Liebelei. Ich habe die Verantwortung, das auch wirtschaftlich zu meistern.“
In den neunziger Jahren traten Queen und die Backstreet Boys in der Eissporthalle auf.
„Bereits damals war es eine moderne Halle. Doch dann fehlte das Geld für neue Investitionen. Als ich die Arena übernommen habe, mussten wir zuerst die ganzen Sicherheitsmängel beheben“
Eigentlich sollte jeder hier leben wollen
Heute fasst die Nordhessen Arena bei Konzerten zwischen 4.000 bis 6.000 Personen. „Der Auftritt von Felix Lobrecht war innerhalb von zwei Tagen ausverkauft“, erzählt Paul Sinizin. „Bei einem Husky-Spiel haben wir aktuell 6.000 Besucher.“
Er geht hinunter ins neu gestaltete Foyer. Zum Schluss unseres Gesprächs will ich wissen, was er heute für Nordhessen empfindet? „Das ist seit vielen Jahren mein Zuhause. Ich hatte jobbedingt mehrfach die Chance wegzuziehen. Aber das ist für mich keine Option!“
Paul erzählt, wie er sich nach einem anstrengenden Tag auf seinen Garten in Vellmar freut, wo er mit seiner Frau und zwei Kindern lebt: „Die spielen beide Handball. Ganz ehrlich: An Nordhessen gibt es nichts zu meckern. Wir haben Hügel und Wald und sehr gute Arbeitgeber. Eigentlich sollte jeder hier leben wollen.“
Text: Rainer Wälde
Weitere Informationen:
https://www.kassel-huskies.de
https://www.nordhessen-arena.de