Martina kleidet nachhaltig

Martina Lodemann nutzt ihre Meisterjahre und macht sich selbständig. Ihr Traum: Ein Laden mit typgerechter Secondhand-Mode in Homberg/Efze.

Es muss sich was ändern

Bei Martina Lodemann war es keine Midlife-Krise, sondern eine handfeste Erschöpfung, die sie zum Umdenken brachte. Seit 17 Jahren engagiert sie sich als Arbeitstherapeutin in Neukirchen für Menschen, die psychisch erkrankt sind.

Das ging lange gut, bis sie selbst merkte: Jetzt muss ich mich um mich selbst kümmern. In einer Kur schöpft sie neue Kraft und hat genügend Zeit, um über ihr Leben nachzudenken: Was will ich ändern?

Sie erinnert sich an ihre Ausbildung zur Farb- und Stilberaterin, die sie 1996 in Solms gemacht hat. „Die persönliche Beratung von Frauen und Männer hat mir sehr viel Spaß gemacht. Welche Farben, welcher Stil passt wirklich zu mir?“

In der Kur fasst sie den Entschluss, einen Neustart zu wagen. „Da mich die Nachhaltigkeit schon seit meinem 17. Lebensjahr beschäftigt, wollte ich mit einem Secondhand-Laden starten.“

Ich bin glücklich und stolz, dass ich es geschafft habe

Ihr Alleinstellungsmerkmal sollen hochwertige Marken sein, die nach Farben sortiert sind. Sie lässt sich im Gründerzentrum beraten und beginnt mit der Suche nach einem geeigneten Laden in der Innenstadt von Homberg/Efze.

Sie findet ein Geschäft, das schon längere Zeit leer steht und bereits als Bäckerei und auch als Friseursalon genutzt wurde. Zuletzt hat „net-ware“, eine kleine Regionalkette mit junger Mode den Laden genutzt.

Martina Lodemann richtet zum Jahresbeginn 2023 das Geschäft ein. „Auch die Inneneinrichtung ist vom Kleiderbügel bis zum Mülleimer alles Secondhand.“

Ende Januar feiert sie Eröffnung am Marktplatz und freut sich über die positive Resonanz auf Ihre Idee. „Über 100 Besucher waren gleich am ersten Tag da und haben eine sehr gute Atmosphäre erlebt.“ Milena Buck, verwöhnt die Gäste mit einem Wohnzimmerkonzert.

Es hat gedauert, bis Nordhessen zur Heimat wurde

Martina Lodemann lebt seit 1994 in Nordhessen. „Es hat lange gedauert bis es zur Heimat wurde“ erzählt sie mit einem fröhlichen Grinsen: „Hier läuft alles langsamer als in Baden-Württemberg, wo ich aufgewachsen bin. Am Anfang hat mich das reduzierte Tempo gestört, erst über die Jahre habe ich es schwätzen gelernt.“

Mit ihrem mintgrünen Rennrad liebt sie es, auf dem Schwalm-Radweg zu fahren. „Der ist besonders schön. Außerdem ist die Luft hier viel besser, in wenigen Minuten bin ich schnell im Grünen.“

Sie zeigt den Lieblingsort in ihrem Garten in Leimsfeld. Gerne sitzt sie nach Feierabend auf einer Holzschaukel unter dem Balkon, lässt die Seele baumeln und entspannt sich mit Blick auf den sprudelnden Gartenbrunnen.

Martina Lodemann

Warum kaufen wir Kleidung, die wir gar nicht tragen?

Sehr schnell ist Martina Lodemann wieder beim Thema Nachhaltigkeit: Untersuchungen belegen, dass 30 bis 40 Prozent der Neukleidung gar nicht getragen werden. Auch in Ihren Laden kommen Kunden, die offen bekennen: „Ich habe das Teil nur einmal getragen“. Als Begründung folgt dann meist der Hinweis: Pardon, ich habe Gewicht zugelegt oder es gefällt nicht mehr!

Seit ihrer Eröffnung bekommt sie sehr viel Ware und muss genau überlegen, was sie in Kommission nimmt. Ihre Frage, die sie bei jedem Teil den Besuchern stellt: Würde er es selbst nochmals anziehen? Deshalb nimmt sie nur gut erhaltene saubere Ware, die nicht defekt ist.

Mit einem Stirnrunzeln betont sie: „Mein Publikum anspruchsvoll, es will auch im Secondhandgeschäft keineBilligware“ Gleichzeitig freut sich Martina Lodemann, wenn die hochwertigen Markensachen in einem zweiten Zyklus weiter genutzt werden.

Ehrlichkeit ist Trumpf

Als ausgebildete Farb- und Stilberaterin sagt sie ihren Kunden auch ganz klar, falls die Farbe nicht zum Hautkolorit passt, oder wenn der Schnitt nicht zur Figur. „Ehrlichkeit ist für mich ein hoher Wert.“

Deshalb berichtet sie ganz offen von ihrer Enttäuschung, dass ihr von der Stadtverwaltung bei der Miete finanzielle Starthilfe zugesichert, aber nicht geleistet wurde. „Es gab viele freundliche Worte, denen leider keine Taten folgten.“

Trotz dieser Erfahrung will sie mit ihrem Einsatz eine Brückenbauerin in Homberg sein. „Mir wurde so oft erzählt, die Homberger seien schwierige Menschen, aber das stimmt überhaupt nicht. Ich habe so viele positive Gespräche mit Bürgern geführt, die ein Herz für die Stadt haben.“

Als wir uns verabschieden, berichtet sie vom Feedback einer Kundin: „Wissen Sie, Ihr Laden hilft mir auch, um die Seele aufzutanken. Ich wünsche mir, dass es noch mehr solche Geschäfte gibt.“

Weitere Infos: https://www.instagram.com/farbeundstil.secondhand/