Wenn Brot nach Familie duftet

Bereits als Kind genießt es Lena Dippel, wenn morgens gegen 4 Uhr der Duft aus dem Backofen in ihr Kinderzimmer steigt.

Heute weht dieser Duft nicht nur in ihrem Heimatort Gilserberg, sondern in 90 Schwälmer Brotläden, die ihre Familie in Nordhessen betreibt: „Es ist für mich der beste Geruch und vermittelt auch ein Gefühl von Heimat.“

Lena Dippel
Peter und Irina Viehmeier, Jürgen und Gabi Viehmeier, Lena und Fabian Dippel (rechts)

Ur-Oma schreibt in Sütterlin

Gemeinsam mit ihrem Bruder Peter ist die 34jährige Lena Dippel ist bereits die fünfte Generation seit 1907, die sich ganz dem Backhandwerk verschrieben hat: „Die Oma meines Vaters hat die Bestellungen noch in Sütterlinschrift notiert und er musste sie in Normalschrift für die Backstube übersetzen.“ Dies ist auch der Grund warum die alte Traditionsschrift bis heute auf Kaffeegeschirr und Bäckertüten auftaucht.

Wir sitzen beide im Café in der ehemaligen Sparkasse in Treysa, das von warmem Grün und modernen Brauntönen dominiert wird. „Guten Geschmack mit allen Sinnen erleben“, erzählt Lena und ihre braunen Augen blitzen. „Das haben mir meine Eltern früh vermittelt.“

Seit 10 Jahren ist sie für das Marketing und auch die Innengestaltung der Schwälmer Brotläden verantwortlich. „Viele Bäcker verwenden Rot und Gelb – weil man das mit Wärme aus dem Ofen verbindet. Doch wir sind schon immer Grün – das war bereits meinen Großeltern wichtig.“ Die beiden Viehmeiers gründeten neben dem Stammhaus in Gilserberg die ersten beiden Brotläden in Gemünden und in Fritzlar am Marktplatz.

„Eigentlich müssten wir Hochländer Brotladen heißen“, erklärt Lena mit einem Grinsen. „Aber unsere Brote sind typisch für die Schwalm. Zudem war meine Oma eine geborene Schwalm, da gab es also einen doppelten Grund uns so zu nennen.“

Ich liebe das Wort Merkwürdigkeit

Lena nippt an ihrem Cappuccino: „Unser Claim hieß früher: Wir verbacken die Natur. Deshalb wollen wir mit einem warmen Grün, das an Moos, die sanften Wiesen und Hügel der Region erinnert auch für die Kunden einen Wiedererkennungswert schaffen.“ Sie fährt mit der Hand kurz über das Holz der Tischplatte: „Ich liebe das Wort Merkwürdigkeit. Uns ist es wichtig, dass sich die Kunden uns merken. Deshalb reduzieren wir auch die Einrichtung auf das Wesentliche.“

90 Schwälmer Brotläden gibt es mittlerweile zwischen Kassel und Gießen. „Unsere Eltern haben das Unternehmen zu dem gemacht, das es heute ist.“ Jedes Jahr gestaltet Lena gemeinsam mit ihrer Mutter Gabi Viehmeier etliche Standorte neu: „Wenn die Gäste eintreten, sollen sie schon im ersten Moment ein authentisches Gefühl bekommen. Die Handwerklichkeit soll nicht nur in den frischen Backwaren, sondern auch in den schönen Details der Möbel sichtbar werden. Die Kunden sollen spüren: Da gibt sich jemand Mühe.“

Wie ihre Eltern verbringt Lena Dippel einige Jahre in München, um sich von dem Leben einer Großstadt inspirieren zu lassen. Als Studentin kann sie die Gastlichkeit der Kaffeefamilie Dallmayr beobachten.

Lena Dippel

Das Glück am richtigen Platz zu sein

Nach ihrem Bachelor in BWL arbeitet sie zuerst bei einer PR Agentur. Dann entscheidet sie sich für ein Duales Studium, um das Wissen direkt im Betrieb umzusetzen: „Das hat mir früh ein Glücksgefühl geschenkt, am richtigen Platz zu sein“, berichtet sie mit einem Augenzwinkern.

Nach ihrem Masterabschluss in Corporate Communications steigt sie gemeinsam mit ihrem Mann Fabian in den elterlichen Betrieb ein, wie auch ihr Bruder und seine Frau. „Unsere Eltern haben uns viel von ihrer Begeisterung für das Backhandwerk mit auf den Weg gegeben. Nun sind wir gemeinsam mit unseren Eltern alle vier mit „Laib und Seele“ für den Schwälmer Brotladen im Einsatz. “

Ich frage Lena, ob sie angesichts der vielen Backwaren lieber süß oder salzig mag? Sie hält einen kurzen Moment inne: „Mein Bruder hat heute neues Gebäck, süße Hörnchen ausprobiert. Da kann ich nicht vorbei gehen. Die muss ich gleich probieren, da kann ich nicht widerstehen.“

Innovation ist für den Familienbetrieb ein wichtiges Thema. Ihr Bruder Peter ist gemeinsam mit dem Vater Jürgen für die Backstube verantwortlich. Ihre Schwägerin Irina für die Konditorei: „Gerade sind wir an neuen Interpretationen bekannter Torten-Klassiker.“

Die rustikale Sanftheit von Nordhessen

Zum Abschluss unseres Gesprächs reden wir über ihre Liebe zu Nordhessen: „Als ich unserer Werbeagentur erklären sollte, was unsere Region ausmacht, habe ich ihnen vom Kellerwald erzählt, der sanften Hügellandschaft und Fachwerkhäusern.“

Sie schaut durch die großen Glasfenster nach draußen und blinzelt in die Abendsonne. „Ich mag das Bodenständige, die rustikale Sanftheit von Nordhessen, die grünen Wiesen entlang der Schwalm. Das verbinde ich mit Heimat. Und manchmal frage ich mich bei manchen Freunden, warum sie nach dem Studium nicht wieder zurückkommen? Hier ist es wirklich besonders schön.“

Beim Verabschieden stehen wir vor der großen Brot-Theke: „Natürlich sind das für mich auch Symbole für Heimat: Das Schwälmer Bauernbrot, der Hessen-Peter und die Kellerwald Kruste.“ Sie grinst über beide Wangen, dann steigt sie in ihren braunen Beetle und fährt zurück nach Gilserberg.