Auf der Suche nach alternativen Bildungsformen gründet Julia Walker in Homberg eine Montessori Schule. Ein Abenteuer mit weitreichenden Folgen.
Vorbild Maria Montessori
Die Augen von Julia Walker strahlen, wenn sie von ihrer pädagogischen Leidenschaft erzählt: „Ich bin Mama von 2 Kindern und habe einem Neffen, der in unserer Familie lebt. Bei ihnen beobachte ich wie wissbegierig Kinder sind und welche hohe intrinsische Motivation sie haben.“
Julia steht auf, um sich Schulmaterial zu holen. „Schon lange bin ich selbst Lehrerin für Haupt und Realschulen habe methodisch viel ausprobiert. Ich wollte wissen, welche Alternativen es zum klassischen Frontalunterricht gibt, war neugierig wie Schüler mit und voneinander lernen.
Auf der Suche nach innovativen Konzepten stößt sie auf Maria Montessori, die bereits vor 100 Jahren ganz neue pädagogische Formen ausprobiert hat. „Das war der Funke, der bei mir die Flamme entfacht hat.“
Eine Familie mit Unternehmergeist
Julia Walker hat das Glück, dass in ihrer Familie ein starker Unternehmergeist zuhause ist: „Meine Mutter ist Expertin für Finanzen. Sie hat mit ihrer Erfahrung als Steuerfachwirtin das finanzielle Konzept entwickelt.“ Der dritte im Bunde ist Julias Vater, ein Bauingenieur, der sich um alle baulichen Aspekte kümmert.
Als Mitstreiterin kann sie noch Claudia Williams gewinnen. Gemeinsam stellen sie die Weichen für eine neue Schule in Homberg/Efze, die von vielen weiteren Helfern unterstützt wird.
„Auf staatlicher Seite hat die Stadt Homberg unsere Idee gefördert und auch das
Schulamt in Fritzlar war sehr engagiert meine Fragen zu beantworten.“ Julia Walker schenkt sich ein Wasser ein und blinzelt in die spätsommerliche Sonne, die an diesem Freitag durch das Fenster fällt.
Aufnahmegespräch für Schüler
Ihre Grundschule mit Förderstufe befindet sich im ehemaligen Kreiskirchenamt. „Hier sind wir seit dem Schulstart 2022. Mit 40 Schülern von der 1. bis zur 5. Klasse haben wir gestartet. Seitdem sind wir jährlich weitergewachsen.“
Ich will wissen, ob es schwierig war, genügend Eltern und Schüler zu gewinnen? Julia lacht kurz auf: „Für den Antrag mussten wir gleich zu Beginn den Bedarf belegen. Doch über eine Landingpage und Whatsapp hatten wir schnell viele Interessenten. Das alternative Schulkonzept hat viele interessiert.
Beim Aufnahmegespräch sind Eltern mit Kind bzw. Kindern eingeladen. „Die Eltern spielen eine große Rolle bei Montessori. Uns ist es wichtig, dass sie unsere Pädagogik verstehen.“
Die Eltern helfen mit
Doch das ist nicht alles. Als private Schule sind die Homberger Pädagogen darauf angewiesen, dass sich die Eltern auf verschiedenen Ebenen engagieren: „Ein Vater hat die Homepage programmiert, andere kümmern sich um die Computer oder montieren Regale an die Wand. Die Eltern organisieren die Schulfeste mit. Wir haben sogar eine Gastrogeschirrspülmaschine von der Firma Ziegler gespendet bekommen“
Julia Walker geht es ans Fenster, um nach Eltern Ausschau zu halten, die noch ihre Kinder abholen: „Wir versuchen die Mütter und Väter nach Fähigkeiten einzubinden, sonst würden wir es nicht schaffen.“
Mittlerweile wurde das Angebot zu einer Integrierten Gesamtschule ausgeweitet: „Die Kinder wachsen hoch bis zur 10. Klasse. Sie können einen Haupt-, oder einen Realschulabschluss erlangen aber auch der Übergang in die gymnasiale Oberstufe ist möglich. Derzeit haben wir bereits Anmeldungen bis zum Schuljahr 2029.“
Früh lernen, Verantwortung zu übernehmen
Ich frage Julia, was sie bis heute am Konzept fasziniert: „Montessori ist eine unerschöpfliche Quelle, aus der ich als Lehrerin ständig selbst dazulerne. Das
Übernehmen von Verantwortung war bereits bei der Gründerin wichtig. Maria Montessori forderte: Das höchste Maß der Anstrengung soll erreicht werden.“
Sie geht kurz zur Tür, um sich mit einem Kollegen abzusprechen. „Ihr Modell war: Die Lehrkräfte säen ganz viele Samen. Die Schüler haben die freie Wahl, welche Pflanzen aufgehen sollen. Dabei spielt das Lob eine große Rolle.“
Zurück am Tisch erklärt sie ein zentrales Prinzip: Es lautet „No correction“. Julia Walker erzählt, wie sie dieses Prinzip im Alltag umsetzt: „Wenn ich sehe, dass ein Kind eine Aufgabe nicht richtig löst, gehe ich nicht hin und sage, das ist falsch. Stattdessen beobachte ich es und nutze diese Beobachtung für mein weiteres Arbeiten mit dem Kind.“
Wir diskutieren gemeinsam über die Frage: Was braucht das Kind? In Montessoris Pädagogie ist dies der Dreh- und Angelpunkt. „Ihr Credo war: Folge dem Kind. Ganz ehrlich dieser Grundsatz fordert mich auch nach vielen Jahren als Lehrerin heraus.“
Crowdinvesting und GLS Bank zur Finanzierung
Natürlich bin ich neugierig, wie die Finanzierung der neuen Privatschule gelingt. Julia Walker bringt den Engpass direkt auf den Punkt: „Das geht nur über einen Kredit. Wir müssen uns über drei Jahre komplett selbst tragen, bekommen kein Geld vom Staat.“
Sie erzählt, dass die Eltern in ihrem Freundeskreis auf Suche nach Unterstützern gehen. Kleine Bürgschaften akquirieren: „Ohne die Eltern würde das nicht klappen. Wir müssen das privat hinbekommen. Denn erst nach drei Jahren werden wir staatlich unterstützt und bekommen als Schule 75 Prozent der üblichen Sätze und später eine Rückerstattung von 50%.“
Glücklich berichtet die Schulleiterin von Sachspenden, wie die Geschirrspülmaschine von einer Homberger Firma, die gerade im richtigen Moment kam. Zudem gibt es seit 2024 einen Förderverein. „Wir hangeln uns durch von Projekt zu Projekt. Lernmittelfreiheit wie an staatlichen Schulen erhalten wir noch nicht gibt es bei uns nicht.“
Montessori war der Neurowissenschaft lange voraus
Zum Schluss unseres Gesprächs will ich wissen, ob Julia viele schlaflose Nächte hat? Sie lacht erneut: „Ja, definitiv – vor allem in der Gründungsphase. Das war und ist bis heute sehr viel Arbeit. Viele verschiedene Pfeiler sind notwendig um eine Schule zu gründen – vom Brandschutz bis zur Prüfung der Lehrkräfte.“
Doch Julia Walker hat wie die Gründerin Montessori eine hohe intrinsische Motivation:
„Ich liebe meinen Beruf als Lehrerin seit ich 2009 im Referendariat angefangen habe. Mein Ziel war immer Kinder zu begeistern, ihre Stärken zu finden. Ich will sie ins Leben begleiten und ermutigen, auch später beruflich das zu machen, was ihren Stärken entspricht.“
Sie hält einen kurzen Moment inne: „Was ich faszinierend finde, dass Maria Montessori schon vor 100 Jahren diesen Blick hatte und intensive Forschung betrieben hat. Damit war sie der Neurowissenschaft viele Jahrzehnte voraus.“
Text: Rainer Wälde
Fotos und weitere Informationen: https://montessori-homberg-efze.de