Hubertus Nottscheid liebt regionale Lebensmittel. Mit Unterstützung seiner Familie gründet er „Land in Sicht – Wildes aus Waldeck“
Schmerzensgeld für einen Umzug nach Nordhessen?
Das Erste, was bereits durch die geöffnete Tür zu hören ist, das ist sein herzliches Lachen. Hubertus Nottscheid steht mit seiner Frau Nicole an der Theke und lacht aus vollem Herzen. „Die Menschen tragen etwas in ihrem Gemüt“, sagt der gebürtige Westphale. Nottscheid ist in der Nähe von Brilon aufgewachsen. Doch seit 5 Jahren ist er mit seinem fröhlichen Gemüt in Nordhessen zuhause.
Der gelernte Koch hat BWL studiert und viele Jahre für das Familienunternehmen Dr. Oetker gearbeitet. In dieser Zeit ist auch seine Leidenschaft für gutes Bier und Lebensmittel entstanden. Als Geschäftsführer der Binding Brauerei war er für Vertrieb und Marketing verantwortlich. „Doch als ich von Frankfurt nach Kassel versetzt wurde, gab es von den Kollegen mitleidige Blicke. Manche meinten, ich müsste für den Umzug nach Nordhessen noch Schmerzensgeld bekommen. Doch die hatten keine Ahnung wie schön es hier ist.“
Nach dem Karriereende bei Dr. Oetker zieht er mit seiner Familie nach Waldeck und kauft eine alte Feldscheune, die 1891 aus massivem Sandstein gebaut wurde. „Ich bin ein sehr impulsiver Mensch“, betont Hubertus Nottscheid. „Wir wollten dort einen Laden mit Marktcharakter eröffnen. Doch dann mussten wir eingestehen, dass dies mit der Baugenehmigung kaum zu lösen ist.“
Eine Genuß-Manufaktur in bester Lage
Statt zu resignieren, suchen die beiden Nottscheids nach einer Alternative: „Plötzlich ging es ganz schnell: Durch eine Empfehlung konnten wir direkt neben der Kirche auf dem Marktplatz einen alten Schleckermarkt mieten.“
Wer heute ihr Geschäft in der Fachwerkstadt Waldeck besucht, kann die frühere Nutzung nicht mehr erkennen. Mit sehr viel Liebe zum Detail haben sie ihre Genuß-Manufaktur eingerichtet. Dort gibt es erlesene Auswahl von regionalen Produkten, die zum Teil auch nachhaltig erzeugt wurden.
„Die Idee entstand in den Jahren, als wir noch im Allgäu gelebt haben, berichtet Hubertus Nottscheid: „Dort gab es am Irsee immer freitags einen Biomarkt. Die Besucher konnten vor Ort konsumieren und interessante Menschen treffen.“
Heute ist dies auch am Edersee möglich: „Land in Sicht – Wildes aus Waldeck“ heißt ihr Geschäft. „Im Logo gibt es die maritimen Elemente einer Seefahrt auf dem Edersee. Aber es signalisiert auch die innere Ruhe hier in Nordhessen: Ankommen und entspannen.“
Affinität zur Jagd und zur Natur
Nottscheid muss herzlich lachen, als er die Entstehungsgeschichte erzählt. „Ich habe eine große Affinität zur Jagd und zur Natur. Als wir die Marke entwickelt haben, sollte sie zuerst Schüsseltreiben heißen. Nach der Jagd treffen sich Jäger und Treiber und essen gemeinsam. Meist gibt es einen kräftigen Eintopf, dazu Bier und Schnaps.“
Er blickt lächelnd hinaus auf den Marktplatz: „Doch der weibliche Teil unserer Familie fand diesen Begriff zu maskulin. Die Idee war ziemlich schnell wieder vom Tisch. So kamen wir zum heutigen Namen „Land in Sicht – Wildes aus Waldeck“.
Hubertus Nottscheid serviert einen Espresso: „Ich bin sehr dankbar für die Jahrzehnte in einem großen Lebensmittelkonzern. In dieser Zeit habe ich mit exzellenten Markenentwicklern zusammengearbeitet. Über viele Kampagnen habe ich einiges gelernt: Gutes Marketing kann auch mal strubbelig sein, es funktioniert nicht wie im Lehrbuch.“
Er zeigt auf eine Flasche ihres „Edersee Gin“ und schenkt ein Probierglas ein: „Dafür sammle ich selbst die Botanicals und habe auch die Rezeptur entwickelt. Die fruchtige Note kommt über die Orange, außerdem gibt es auch etwas Maritimes. Ich bin sehr glücklich, dass wir mit Felix Frönd aus Niederweimar bei Marburg einen sehr guten Brennermeister gefunden haben.“ Stolz zeigt er auf die Etiketten, die seine Frau Nicole in weiß-grün-blau gestaltet hat.
Ist das Glas halbleer oder halbvoll?
„Wenn ich mit Einheimischen spreche, habe ich den Eindruck, dass bei manchen der Glaubenssatz herrscht: Mein Glas ist halbleer. Mitunter werden nur Dinge wahrgenommen, die man verbessern kann.“ Nottscheid hält inne und nippt an seinem Gin. „Viele sagen auch: Man müsste und man könnte mal. Aber meiner Frau und mir reicht das nicht. Wir lieben diese Region. Wir lieben Nordhessen. Deshalb ist es für uns wichtig anzupacken und die Akteure miteinander zu vernetzen.“
Um die Schönheit von Nordhessen noch mehr sichtbar zu machen, hat Hubertus Nottscheid eine regionale Marke entwickelt: Kellerwald-Edersee-Manufaktur. Unter diesem Namen werden eigene Produkte, aber auch die von anderen Partnern vermarktet. Er zeigt auf das Logo: „Der Stern symbolisiert für uns die geschichtliche Herkunft als Fürstentum Waldeck. In Zukunft wollen wir noch mehr Lebensmittel anbieten, die von kleinen Betrieben regional hergestellt werden.“
Beim Verabschieden wird deutlich, wie sehr sich Nicole und Hubertus Nottscheid in ihre neue Heimat verliebt haben. „Der Nationalpark Kellerwald Edersee ist wirklich etwas ganz Besonderes. Ich bin viele Jahre Motorrad gefahren, heute wandern wir und genießen die Natur. Was uns an Waldeck gefällt, ist die Offenheit der Menschen. In kurzer Zeit wurden wir als Bekannte, von manchen auch als Freude aufgenommen.“
Text: Rainer Wälde
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