„Pardon, ich spucke schon wie Inge Meysel“ kalauert Hubertus Meyer-Burkhardt.

Wertschätzung für die Kasseler Oma
„Das tut mir leid für die 1. Reihe.“. Der NDR-Talkmaster ist ganz in seinem Element. 1956 in Kassel geboren kennt er die Eigenarten von Nordhessen aus frühester Kindheit.
Sein Lebensmensch ist Oma Christel, eine resolute Dame, die in einer Sozialwohnung an der Wilhelmshöhe Allee lebte. Mit ihr hat er sehr gerne Zeit verbracht und wie es scheint auch ihren Humor adaptiert.
Hubertus Meyer-Burkhardt hat die Lesebrille in das schwarze Shirt geklippt. Die braucht er in Bad Wildungen sowieso nicht wirklich. Eigentlich will er aus seinem neuen Buch vorlesen, das voller Oma-Enkel-Episoden steckt. Doch noch lieber als Lesen ist ihm das Entertainment.
So sitzt er in seiner cognacfarbenen Hose am Bühnenrand, immer auf dem Sprung zur nächsten Pointe. „Weeste Kleener, nicht jeder Mann ahnt bei der Hochzeit, dass ein Kriegsschiff auf ihn wartet“, so ein jüdischer Witz seiner Großmutter.
Wir leben im Paradies und wählen rechts
Christel Vollbrecht, Jahrgang 1898 hat sein Leben über 30 Jahre geprägt. Hubertus schildert bei seiner Lesung in Bad Wildungen, welchen Einfluss die Kasseler Oma auf sein Leben hatte. „Wir haben gemeinsam Phantasie-Reisen unternommen“, erklärt mit einem Grinsen. „Sie hat die Pointe einer Geschichte erzählt und ich sollte mir die Story dazu selbst ausdenken.“
Ein zentrales Thema zwischen Oma und Enkel ist die Dankbarkeit. „11 Prozent der Welt geht es so gut wie uns. Wir leben im Paradies. Aber warum wählen so viele aus Unzufriedenheit rechts – das verstehe ich nicht!“
Christel Vollbrecht saß gerne in der Kasseler Weinstube Boos beim Dämmerschoppen. „Jeder Humor erwächst aus der Trauer“, erklärte sie ihrem Enkel. Mitunter nahm sie ihn auch zum Friseur mit: „Kleener, ich mach mich hübsch für Hans Rosenthal, heute kommt Dalli-Dalli.“
Doch was wie eine skurrile Marotte wirkte – so Hubertus Meyer-Burkhardt – war in Wirklichkeit Respekt. „Meine Oma hat sich nie verziehen, dass sie den Juden während der Verfolgung nicht geholfen hatte.“

Entertainment steckt ihm im Blut
90 Minuten reiht er eine Episode an die andere. Entertainment stecken Oma wie Enkel im Blut. Das Publikum beim Literarischen Frühling Nordhessen hat seinen Spaß, als Hubertus Meyer-Burkhardt von den Ausflügen mit seinen Großeltern berichtet.
„Die beiden hatten einen Opel Rekord mit Lenkradschaltung. Wenn wir zu einer Sonntagstour rund um Kassel fuhren, waren beide nicht angeschnallt. Opa trug ein Glasauge. Das hinderte ihn nicht, auch zackig in den Kurven zu fahren. Beide rauchten: Er Winston, sie Lord. Ich saß auf dem Rücksitz, bekam wenig Luft. Vermutlich liebe ich deshalb bis heute Raucher, obwohl ich selbst Nichtraucher bin.“
In einem Ausflugslokal konnte sich der Enkel dann sein Lieblingsessen bestellen. „Zuerst Bienenstich, danach Wiener Würstchen mit Senf – oder anders herum.“ Damit der Hubertus auf der Rückfahrt nicht das schöne Auto voll kotzt, gibt es zum Nachtisch einen Underberg. „Ich bin immer mit einer Riesenfahne nach Hause gekommen“, so der Entertainer.
Gucken Sie nicht so doof
„Meine Kollegin Ina Müller hat mich vor Bad Wildungen gewarnt“, ruft Hubertus Meyer-Burkhardt den 500 Zuhörern in der Wandelhalle zu. „Wenn du es dort schaffst, klappt es auch in New York.“ Mit Augenzwinkern macht er sich über die protestantische Kultur lustig und erhebt die nordhessische Bäderstadt zu „einer intellektuellen Hochburg.“
Die Pointen sitzen bei dem 68jährigen Talkmaster, der Geschichte und Philosophie studiert hat und seit vielen Jahren als Fernsehproduzent arbeitet. So auch bei seinem Abschluss, als er Rainer Maria Rilke zitiert: „Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest.“
Mit einem koketten Blick ins Publikum fügt er eine mögliche Aufschrift für seinen Grabstein an: „Gucken Sie nicht so doof, ich wäre auch lieber am Strand.“ Das wäre nach seiner Ansicht ein passendes Zitat, um auch nach seinem Tod noch an ihn als Entertainer zu erinnern.
Fotos: Eva Maria Schmidt, Literarischer Frühling Nordhessen
Text: Rainer Wälde