Als Edelfeder hat Christiane Kohl für die großen Zeitungen geschrieben. Nach vielen Jahren beim „Spiegel“ zuletzt bei der „Süddeutschen Zeitung.“ Seit 10 Jahren ist sie glückliche Hoteldirektorin und organisiert den „Literarischen Frühling“ in Nordhessen.
Das herrliche Gemäuer muss man retten
„Die Geschichten meines Lebens habe ich alle geschrieben“, bekennt Christiane Kohl freimütig. Sie sitzt am Fenster der Bärenmühle im Lengelbachtal und beobachtet ihre Enkel, die in der Frühlingssonne „Restaurant Weinflasche“ spielen. „Ich habe es keine Zehntelsekunde bereut, nicht mehr Journalistin einer renommierten Zeitung zu sein.“
Christiane Kohl ist angekommen. Nicht nur in ihrem Elternhaus, sondern auch innerlich in der GrimmHeimat Nordhessen. Nach etlichen Jahren im Ausland kehrt sie für eine Reportage zurück in die Heimat: „Für den Stern hatte ich vor rund 40 Jahren eine Reportage über das Lengelbachtal geschrieben und mich dabei wieder in die Heimat verliebt – 20 Jahre später bin ich dem „Ruf der Heimat“ dann gefolgt .“
Gemeinsam mit ihren beiden Schwestern Bettina und Katrin entscheidet sie sich, das Elternhaus zu retten. „Wir wollten etwas starten, was mit der Schönheit der Landschaft konform ist.“ Obwohl alle drei Schwestern verstreut in Deutschland und New York leben, ist ihnen schnell klar: „Das herrliche Gemäuer muss man retten.“
Ein magischer Ort für Landlustige
Die drei Schwestern spüren eine starke Bindung an die Region und überlegen wie sie gemeinsam das Anwesen der Familie erhalten können. „Die Bärenmühle ist eine von fünf Mühlen in einem wunderschönen Waldwiesental“, erzählt Christiane Kohl. „Sie steht in einer Kulturlandschaft, in der man noch die bäuerliche Hand sieht. Die Äcker sind viel zu schmal für heutige Maschinen, aber alle fünf Jahre werden sie gepflügt – wenn das Korn dann reif ist, strahlen sie wie schmale gelbe Handtücher aus dem Grün der Landschaft heraus. Das ist wunderschön, aber natürlich völlig unwirtschaftlich“.
Als Journalistin hat sie etliche Geschichten geschrieben, die in Nordhessen angesiedelt waren. Der Strukturwandel in den Dörfern ist ihr vertraut. Im Jahr 2000 entscheidet sie sich „einen magischen Ort für Landlustige“ zu gründen. Doch auch die wirtschaftliche Seite muss stimmen: „Uns war klar, die Bärenmühle muss sich selbst erhalten, deshalb haben wir sie in ein Hotel umgebaut.“
Nach der Eröffnung 2005 schreibt Christiane Kohl weiter für die „Süddeutsche Zeitung“ und kümmert sich daneben um die Finanzen des Hotels, bis sie 2014 ganz die Seiten wechselt: „Vor 10 Jahren war die Rationalisierung in den Medien schon zu spüren. Es blieb immer weniger Zeit zur Recherche. Die zunehmende Oberflächlichkeit hat mich genervt.“
Nordhessen wird zur GrimmHeimat
Christiane Kohl steigt hauptberuflich im Hotel ein. In dieser Zeit formiert sich auch der Tourismus neu: Nordhessen wird zur GrimmHeimat. „Ich fand es sehr gut, die beiden bekannten Literaten für die Region zu akquirieren. Die beiden führen sehr gut in die Landschaft der deutschen Romantik.“
Gemeinsam mit zwei Hotel-Kollegen gründet sie den „Literarischen Frühling in der Heimat der Brüder Grimm“ in der nordhessischen Region Waldeck-Frankenberg. „In persönlichen Gesprächen ist die Idee gewachsen, die Brüder Grimm erlebbar zu machen.“ Seit 2012 organisiert sie gemeinsam mit dem „Hotel die Sonne Frankenberg“ und dem „Schlosshotel Waldeck“ das Literaturfestival.
„Ich habe selbst einige Bücher geschrieben“, berichtet Christiane Kohl. „In der Bärenmühle habe ich mit Lese-Dinner angefangen und schnell gemerkt, dass ist ein sehr schönes Format, bei dem die Gäste aufmerksam den Autoren zuhören.“
Wir sitzen hinter dem Wald aber nicht hinter dem Mond
Als Schirmherren kann sie Christian Friedrich Delius und ihren alten Freund Mario Adorf gewinnen. „Als ersten Gast haben wir Günther Grass eingeladen, weil er sich auch literarisch mit den Brüdern Grimm beschäftigt hat. Das Prinzip unseres Festivals ist Qualität. Deshalb holen wir die großen Namen der Literatur nach Nordhessen.“
Nicht ohne Stolz berichtet sie, dass mit Enzensberger, Walser und Sloterdeik bereits viele renommierte Autoren zu Lesungen da waren. „Wir machen nicht auf Märchenonkel, sondern präsentieren politische, historische und relevante Literatur.“
Christiane Kohl öffnet das Fenster zur Terrasse. Von draußen sind neben den Enkeln auch einige Vogelstimmen zu hören: „Viele Menschen, darunter auch große Schriftsteller, haben in ihrer Kindheit die Märchen der Brüder Grimm vorgelesen bekommen. Die Grimms gehören zu uns und sind tolle Botschafter für Nordhessen.“
Sie hält einen Moment inne: „Zu meinen Gästen sage ich hin und wieder: Wir sitzen hinterm Wald, aber nicht hinterm Mond. Deshalb ist es mir wichtig, die Identität nach innen und außen zu stärken. Als Region können wir mit dem Literatur-Festival positiv auf uns aufmerksam machen.“
Lesung mit Rezepten aus der Weimarer Klassik
In diesem Jahr feiert der „Literarische Frühling“ auch 250 Jahre Werther. „Das ist eine gute Chance auch mal aus einem vermeintlich alten Schinken zu lesen, den sonst kaum jemand in die Hand nimmt.“ Christiane Kohl berichtet, dass es passend zur Lesung ein Dinner mit Rezepten aus der Weimarer Klassik gibt.
„Das ist eine Besonderheit des Literarischen Frühlings. Wir erhalten keine öffentlichen Gelder, sondern finanzieren uns durch private Mittel. Etliche Unternehmen der Region sind Partner. Das stärkt sehr gut die Binnen-Identität in unserer Region.“ Gerade die Lesedinner sind schnell ausverkauft. „Etliche Menschen haben zudem auch ihre Schwellenangst überwunden, in ein Sterne-Restaurant zu gehen.“
Zum Schluss unseres Gesprächs will ich von Christiane Kohl wissen, welche Träume sie für die Zukunft hat. „Momentan wird in der Bärenmühle nach vielen denkmalgerechten Sanierungen unser erster moderner Anbau fertig gestellt. Der wird sich gut einfügen zwischen den historischen Diven rundum.“
Am Badeteich ist das Glück zu spüren
Sie berichtet, wie sie sich während der Corona-Zeit ganz neu in die Region verliebt hat: „In der Stille werden die Naturgeräusche noch kostbarer. Wenn man ganz allein am Badeteich sitzt, ist das Glück zu spüren.“
Auch im Rückblick kann sie der Pandemie etwas Positives abgewinnen: „Nach dem Lockdown haben viele Deutschland neu entdeckt.“ Auch die Bärenmühle hat etliche neue Stammkunden gewonnen. „Durch die Kooperation mit Romantikhotels erreichen wir Gäste, die sich für Kultur und Natur interessieren. Außerdem auch junge Familien aus den Großstädten im Rhein-Main-Gebiet und in der Region Köln-Düsseldorf.“
Beim Verabschieden äußert sie ihren großen Traum: „Ich würde mich sehr freuen, wenn eines Tages eines meiner Enkelkinder die Bärenmühle übernimmt.“ Schließlich empfiehlt sie mir noch ihre aktuelle Lektüre: „Der Komet. Das ist das Eröffnungsbuch des diesjährigen Festivals“.
Text: Rainer Wälde
Fotos: Landhaus Bärenmühle Frankenau