C.S. Lewis in Witzenhausen

Christian Rendel studierte Germanistik und Geschichte. Seit 35 Jahren arbeitet er als Übersetzer in Nordhessen und gilt als der Lewis-Experte im deutschsprachigen Europa.

Der nordhessische Literaturliebhaber

Es riecht nach frisch gebrühtem Kaffee. Vor seinem Arbeitsfenster in Witzenhausen blühen Flieder und Felsenbirne. Eigentlich genügend Stimulanz für einen Roman. Doch Christian Rendel kommt nicht dazu, eigene Bücher zu schreiben. Sein Schreibtisch ist voll mit Verlagsanfragen, die für ihr Buchprogramm neue Übersetzungen brauchen.

So arbeitet der nordhessische Literaturliebhaber einen englischsprachigen Buchtitel nach dem anderen und ab, um die Deadlines zu halten: Biografien, Fantasy und Ratgeber. Rund acht Buchtitel pro Jahr.

Nach seinem Magister in Literatur plante Rendel als Dozent an der Universität zu bleiben und zu promovieren. Sein Plan: „Ich wollte nebenbei den einen oder anderen Roman schreiben. Doch dann kam 1987 die erste Verlagsanfrage.“

Rund 350 Übersetzungen

Rund 350 Bücher hat er seitdem übersetzt. Das praktische Arbeiten mit Texten lag ihm mehr als der wissenschaftliche Lehrbetrieb. Über die Jahre hat er sehr viele Übersetzungen von C.S. Lewis gemacht: „Ich liebe seine Verbindung von Rationalität und fantastischem Bilderreichtum .“

Stolz zeigt er auf die verschiedenen Narnia-Ausgaben in seinem Bücherregal: „Lewis’ Rationalität prägt seine fantastischen Bücher ebenso sehr wie umgekehrt seine bildkräftige Fantasie seine eher philosophischen Werke.“ Über den englischen Literaturprofessor hat Christian Rendel auch eine Biografie geschrieben: „Lewis ist ein Stilist ersten Ranges.“

Diesem Vergleich hält mancher englischsprachige Autor nicht stand. Rendel hält einen kurzen Moment inne, um einen Schluck Kaffee zu trinken. Dann ergänzt er: „Bei schlechten Autoren wird es auch für den Übersetzer schwierig, wenn er keinen klaren Stilwillen hat und nicht genau weiß, was er ausdrücken will.“

Er berichtet, wie schwierig es bei manchen Manuskripten sein kann, aus dem Original einen gut lesbaren deutschen Text zu machen: „Das ist mitunter eine echte Herausforderung.“ Doch gibt es auch Projekte, auf die er richtig stolz ist? Ohne lange Überlegung meint er: „Richtig stolz bin ich auf die erste vollständige Übersetzung von John Bunyans Klassiker von 1678, der Pilgerreise, erstmals mitsamt den einleitenden Gedichten.“

Witzenhausen als Bundeshauptstadt?

Rendel ist in Gießen aufgewachsen, seine Frau Barbara arbeitet als Lehrerin. Durch sie ist er vor 36 Jahren nach Nordhessen gekommen. „Kurz nach der Wiedervereinigung gab es in der FAZ eine Glosse, Witzenhausen zur Bundeshauptstadt zu machen, weil es genau in der Mitte liegt.“ Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: „Unsere Freunde, die in ganz Deutschland wohnen, kommen zwangsläufig vorbei.“

Dann berichtet er von einem Gespräch, das er kürzlich geführt hat: „Mein Gegenüber behauptete: Dieses Nordhessen hat keine kulinarische Tradition außer der Ahlen Wurst. Im Gegensatz zu anderen Regionen wie Baden-Württemberg gibt es nur spärlich lokale Spezialitäten.“

Christian Rendel greift sich einen Mandelkeks und schnuppert kurz daran, bevor er ein Stück abbeißt. „Irgendwie hat er recht und dann doch nicht. Hier in Witzenhausen sind wir eingekeilt zwischen Kassel und Göttingen. Wenn ich Lust habe, kann ich mich in beiden Städten kulturell und auch kulinarisch vergnügen. Wenn ich ehrlich bin, leben wir ein bisschen wie im Schlaraffenland.“

Für das tägliche Pensum braucht es Disziplin

Wie sieht es mit seiner Arbeitsroutine aus: Liest Rendel die Bücher komplett, bevor er mit der Übersetzung startet? Seine Antwort ist überraschend: „Das ist mir nur ein einziges Mal passiert, weil der Roman so spannend war. Nein, in der Regel habe ich das Originalbuch links auf dem Monitor, die Übersetzung rechts und dann geht es los.“

Er startet um 8 Uhr, macht eine kleine Pause am Vormittag und zieht durch, bis das tägliche Pensum von 10 Normseiten mit 1800 Anschlägen geschafft ist. Gut sechs Stunden braucht er dafür. „Früher habe ich 20 Seiten übersetzt. Aber mit den Jahren bin ich langsamer geworden, vielleicht auch sorgfältiger.“

Zwischendurch hat Christian Rendel auch Kinodrehbücher geschrieben, auch verkauft, aber leider sind sie nie verfilmt worden. „Ich muss zugeben, das hat mich lange Zeit sehr frustriert. Kino ist eine echte Leidenschaft von mir. Aber inzwischen habe ich eingesehen: Nicht aus allem, wofür mein Herz schlägt, muss ich einen Beruf machen.“

Zwei Romanideen müssen noch gären

Das Filmgeschäft war mit seinem Lebensstil nicht zu vereinbaren. „Als Drehbuchautor müsste ich ständig auf irgendwelchen Partys mit Filmproduzenten in Berlin oder München herumhängen und mich verkaufen. Aber das war und ist nicht mein Ding.“ Die ruhigere nordhessische Lebensart erwies sich auf lange Sicht dann doch als attraktiver als aller Glanz und Glamour der Filmwelt.

In seiner Freizeit engagiert sich Christian Rendel in einer Freien evangelischen Gemeinde, spielt dort in der Band und predigt auch hin und wieder. Die Gemeinde hat er vor 30 Jahren mitbegründet. Sie ist sein Herzensanliegen – auch mit ihren Hilfsangeboten für Flüchtlinge.

Bevor wir uns verabschieden, frage ich Christian Rendel nach seinem literarischen Traum?
„Wenn ich den Rest meines Lebens mit dem Schreiben von Romanen verbringen könnte – das wäre klasse. Zwei Romanideen sind am Simmern. Teilweise habe ich auch schon Kapitel geschrieben, aber das muss noch gären.“